Gentech-Wein
Im Tages-Anzeiger vom 20. Sept. 06 erschien ein Beitrag von Lucian Haas mit dem Titel «Gentech-Wein soll kein Kopfweh machen». Darin ging es um die gentechnisch produzierte Weinhefe MLo1. Hier dazu einige Fakten: MLo1 wurde von Prof. Dr. Henri van Vuuren in Kanada auf den Markt gebracht. Sie ist durch die FDA (Food and Drug Administration) als GRAS (Generally Recognized As Save) allgemein als sicher deklariert worden und darf in Kalifornien eingesetzt werden.
Die genveränderte Hefe kann alleine in einem Arbeitsgang erledigen, wozu sonst zwei Organismen nötig sind, nämlich Hefe für die alkoholische Gärung und Milchsäu-rebakterien für den biologischen Säureabbau (BSA). Wie ist das möglich?
Die «spezifischen Leistungen» verschiedener Hefearten sind schon lange bekannt. So ist die Spalthefe Schizosaccharomyces pombe zum Beispiel in der Lage, Apfelsäure in Alkohol umzuwandeln, wozu «normale» Weinhefen nicht fähig sind. Deswegen kann S. pombe auch für den BSA eingesetzt werden. Dabei steigt allerdings die Alkoholkonzentration im gleichen Mass an, wie Apfelsäure unter Bildung von Kohlensäure abgebaut wird. Dies ist aber nicht erwünscht.
Der Weinhefe Saccharomyces cervisiae fehlt ein Transportsystem für Apfelsäure. Sie kann diese Säure deshalb nicht verstoffwechseln. So hat man S. pombe die Gene für ein solches Transportsystem entnommen und in das Genom von Saccharomyces cervisiae (Laborstamm) eingesetzt. Damit die «neu konstruierte» Hefe auch noch die Umwandlung von Apfel- in Milchsäure bewerkstelligen kann, gab man auch noch das entsprechende Gen von Lactobacillus brevis dazu.
Pro und Kontra MLo1
- MLo1 erlaubt eine rasche Weinbereitung. Die alkoholische Gärung und der biologische Säureabbau laufen gleichzeitig ab. Aber man kann heute auch Weinhefe und Bakterien-Starterkulturen gleichzeitig in den Traubenmost einimpfen und so denselben Effekt hervorrufen.
- MLo1 bildet keine biogenen Amine (Histamin), womit die Gefahr von Kopfschmerzen bei sensiblen Personen tatsächlich verringert wird. Dieselbe Wirkung erzielt man aber auch durch die Verwendung von Reinzuchthefen für die alkoholische Gärung und Bakterien-Starterkulturen für den BSA.
- Die Aromatik eines mit MLo1 vergorenen Weins ist unbefridigend. Man erhält weit bessere Ergebnisse durch Verwendung von Hefen der Art Saccharomyces cervisiae, die eine optimale Weinaromatik ergeben und Oenococcus-oeni-Bakterien für den BSA.
- Die Akzeptanz eines mit MLo1 hergestellten und entsprechend deklarierten Weins bei den Konsumentinnen und Konsumenten ist mehr als fraglich. (Anmerkung MW: Eben deshalb setzen die USA alles daran, dass genveränderte Organismen nicht deklariert werden müssen.)
Gebrauch und Missbrauch
Die Vielfalt natürlich vorkommender Weinmikroorganismen birgt einen reichen Fundus an Möglichkeiten. Es besteht heute
keine Notwendigkeit zur Erzeugung gentechnisch veränderter Hefen. MLo1 bildet im Gegensatz zu natürlichen Hefen kein
Diacetyl. Das Fehlen von Diacetyl in einem Wein ist so ein Indiz dafür, dass MLo1 eingesetzt wurde. Die missbräuchliche
Verwendung der genveränderten Hefe wäre damit nachweisbar.
Jürg Gafner, ACW
in: Obst- und Weinbau Nr. 2/07