Ein Kater namens Sidi Brahim

Mars macht mobil

1968 lernte ich Ueli beim gemeinsamen Panzerflambieren in Prag kennen. Seither verbindet uns eine tiefe Freundschaft. Unterdessen hat er sich vom Saulus zum Paulus gewandelt und ist nun Ueli, der Wächter über unsere nationale Sicherheit. Er kann sich bis heute selber nicht recht erklären, wie er dahin gekommen war und vermutet, dass wie schon bei seinem Vorgänger die GSoA dahinter steckt.

Letzthin traf ich ihn wieder einmal am Stammtisch. Er schien arg bekümmert, weil er nicht wusste, was er mit seinen Panzern heute machen sollte. Ausser Flambieren kam ihm einfach nichts in den Sinn und das würde ihm den Job kosten. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sein Armeechef Blattschuss die geniale Idee, Griechenland könnte Interesse am Reduit haben, dieses mit Ouzo füllen und darin sein Haushalts­defizit versenken wollen. Die erste echte Bedrohung seit dem Landesstreik! Seit dem Fall der Maurer hatte die arme Armee ja keine Feinde mehr, nur noch Leidbilder. Ueli und er wollten gleich die Panzer auf den Gotthard schicken, wurden aber vom Gesamtbundesrat wieder zurückgepfiffen. Seither scheint die Sinnkrise der Armee noch stärker geworden zu sein. Erschwe­rend kommt dazu, dass heute viele junge Männer mehr Sinn darin sehen, Rollstühle
statt Kanonen rumzuschieben und Bergziegen statt Panzer zu striegeln. Und irgendwie entspricht der Vierfruchtpyjama auch nicht mehr den modischen Ansprüchen der Jugend. Die fahren auf Hilfiger und nicht auf Haflinger ab, tragen die Streifen lieber an den Schuhen statt an den Schultern und hören auf Lady Gaga und nicht auf Onkel Guisan.

Kein Wunder war Ueli etwas depro. Unverhofft war er vom Prager Frühling in den Zürcher Herbst geraten. Ich versuchte ihn abzulenken und berichtete ihm von unserem Rebberg in Reichenbach. Sofort wollte er natürlich wissen, welche Feind­bilder wir hätten, ob Rebläuse Kommunisten sind und der Mehltau nachts operiert. Ein Fall für die Artillerie, meinte Ueli frohlockend, bis ich ihm erklärte, dass Blattläuse noch kleiner als Spatzen sind und daher Pfropfen besser wirkt als verbrannte Erde und dass gegen Mehltau am besten Piwi eingesetzt wird. "Pistolen und Willhelm Tell?" verstand er. Wir kamen auf die schweisstreibenden Arbeiten des Hackens und Mähens zu sprechen - "also doch Panzer!" schlug Ueli vor. Ich erklärte ihm, dass der Abstand zwischen den Reihen lediglich etwa eineinhalb Meter betrage, worauf Ueli kleinlaut resignierte: "wir haben einfach nicht das richtige Material" und in dumpfes Nachdenken zurückfiel. Er blätterte gedankenverloren im Kampfflugzeugdossier herum und murmelte irgendwas von Morgensternen und Elefanten. Schliesslich schlug ich ihm vor, Bajonette zu Hacken
umzuschweissen und Offiziere a.D. als Vogelscheuchen einzusetzen, was ihn zumindest kurzfristig etwas zuversichtlicher stimmte. Dass wir bereits Netze gegen die Vögel haben, verschwieg ich ihm aus Mitleid. Sein Vorschlag beim fünften Halben war dann noch, den FA-18 mit einem Schwefelzerstäuber auszustatten. Meine Streitkräfte waren unterdessen zu weit dezimiert, um dieser Attacke noch ernsthaft Widerstand leisten zu können, ich machte einen taktischen Rückzug, verliess mit wehenden Fahnen das Schlachtfeld und fiel alsbald in meinen Schützengraben.

Am nächsten Morgen hatte ich dann einen ziemlichen Nachbrenner und brauchte mehrere kalte Verbände und einen Blitzkrieg mit Alka Selzer, bis ich wieder aufgerüstet war.

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Der wahre Grund, warum Uelis Panzer in unserem Land keinen Platz mehr finden, ist dass dieser längst von den SUV’s eingenommen worden ist. Die Armee ist über Nacht klammheimlich privatisiert worden. Damit hat die GSoA nicht gerechnet.
Panzerknacker